Die Aleksandar Vučić Show in der Krise

Vucic inauguration Photo by Anadolu

Man würde glauben, so sieht ein Sieger aus: Aleksander Vučić hat seit 2012 vier Wahlen gewonnen. 2012 wurde seine Fortschrittspartei stärkste Kraft er tritt in die Regierung ein, zwei Jahre später wird er Ministerpräsident, dann 2016 erneut wiedergewählt und nun am 2. April in der ersten Runde zum Präsidenten Serbiens gewählt. Sein überwältigenden Sieg mit 55,02 Prozent der Stimme machte eine 2. Runde überflüssig. Einen solchen klaren Sieg gelang das letzte Mal vor 25 Jahren, Mitten im Bosnienkrieg 1992, damals siegte Slobodan Milošević gegen den gemäßigten Oppositionskandidaten Milan Panić. Der größte Wahlerfolg Vučićs stellt sich jedoch als seine größte Krise heraus. Seit Tagen ziehen Tausende durch Serbiens Städte um gegen den Wahlsieg zu protestieren. Die Zahl ist noch nicht groß, doch die Demonstranten zeigen ein Beharrungsvermögen, obwohl sie in den regierungsnahen Medien todgeschwiegen werden.  Es gab im letzten Jahr bereits Proteste gegen den illegalen Abriss von Häusern im Belgrader Savamala Bezirk, doch die jüngsten Demonstrationen sind die Ersten, die spontan und durch Serbien gegen die Dominanz Vučićs protestieren und seinen Rücktritt fordern. Als Ministerpräsident, zukünftiger Präsident und Vorsitzender der größten Partei des Landes, laufen alle Fäden bei ihm zusammen. Sein Kontrollwahn ist legendär und innerhalb seiner Partei und Regierung hat er systematisch alle Konkurrenten ausgeschaltet. Sein größter innerparteilicher Widersacher war Tomislav Nikolić, der bisherige Präsident, der unter Druck Vučićs nicht nochmals antrat. Sein größter Konkurrent in der Regierung ist Außenminister Ivica Dačić, Vorsitzender der Sozialisten (SPS), der unerwartet und wohl auch auf Vučićs Druck hin nicht bei den Wahlen antrat.

Die Dominanz Vučićs ist auch Ausdruck seiner Schwäche: Er wurde weniger Präsidentschaftskandidat, weil er Erdoğan oder Putin nacheifert ein Präsidialregime zu etablieren, sondern da ihm eine Alternative fehlte. In seiner Partei kann niemand so souverän die Wahlen gewinnen wie er. Seine Partei hat nun etwa so viele Mitglieder für die Kommunisten in ihren besten Zeiten und 2016 errang sie einen Sieg, von dem selbst Slobodan Miloševićs Partei nur träumen konnte. Doch alles häng von ihm ab. Seine Parteigänger sind loyal, aber selten kompetent und noch seltener beliebt. Keiner von ihnen hätte die Präsidentenwahl so klar gewinnen können. Staat, Regierung und Partei werden somit zu einer Vučić-Einmannshow.

Seine Übermacht wurde wenige Tage vor den Wahlen überdeutlich, als die Titelseiten aller Tageszeitungen von einer ANzeige für Vučić überdeckt wurden. So zeigt man Macht. Nur die liberale und kleine Qualitätszeitung Danas blieb ohne Vučić–und findet sich nun unter starkem finanziellen Druck nachdem viele Anzeigenkunden unerwartet gekündigt haben. Im heutigen Serbien ist es schwer Vučić zum umgehen, er blickt nicht nur von den Titelseiten der Zeitungen, er ist im Fernsehen, Radio und Internet omnipräsent und mit der Ausnahme von kleinen unabhängigen Internet-Portalen immer nur im besten Licht präsentiert. In den wichtigsten Fernsehsendern bekam er mehr Aufmerksamkeit als alle Oppositionskandidaten zusammen.

Diese Dominanz Vučić wird von der EU gerne übersehen. Bereits am 3. April schickten Kommissionspräsident Juncker und EU Präsident Tusk eine öffentliche Gratulation an Vučić und nannten seinen Sieg ein Vetrauensvotum für den europäischen Weg. Kritik an dem Abbau demokratischer Rechte, die eingeschränkte Meinungsfreiheit und Dominanz Vučićs konnte man bestenfalls zwischen den Zeilen lesen. Nur wenige Tage vor den Wahlen wurde Vučić in Berlin und Moskau empfangen und so konnte er sich mit Bildern mit Merkel und Putin im Wahlkampf schmücken. Auch wenn er sich von Merkel sicher Kritik hinter verschlossenen Türen anhören musste, so konnte er sich an der Öffentlichkeit weiter als Garant für Stabilität und Reformen präsentieren.

Nicht nur Serbien entwickelt sich Zunehmens zum autoritären System. Neben dem EU Staat Ungarn, herrschen in anderen Balkanstaaten starke Männer, die sich nur wenig um demokratische Prinzipen scheren: Von Nikola Gruevski in Makedonien, bis zu Milo Djukanović in Montenegro–beide nicht mehr Ministerpräsidenten–versuchen jedoch weiterhin die Geschicke der Länder zu lenken. Von Milorad Dodik in der serbischen Teilrepublik Bosniens zu Hashim Thaçi, dem Präsidenten des Kosovo, die Region ist bestimmt von starken Männern, die wenig Interesse an demokratischen Institutionen, Medienfreiheit und Reformen haben, sondern in erster Linie um die eigene Macht. Anders als Orban oder  Erdoğan haben sie sich keiner Ideologie verschrieben, sondern nur Machtwillen. Somit können sie sich jederzeit als EU-willige Reformer präsentieren, und gleichzeitig diese Reformen durch informelle Machtstrukturen untergraben.  Die EU hat somit auf dem Balkan unsichere Schönwetter-Partner, je schwächer die Perspektive auf Mitgliedschaft ist,  desto mehr werden Vučić und co. von Reformen abrücken.

Als vor 20 Jahren Zehntausende monatelang in Serbien gegen Milošević demonstrierten, so war seine Macht noch nicht gebrochen, noch sollte drei Jahre Serbien in den Kosovo Krieg und weiteres Leid führen, doch sein Bann war gebrochen und er konnte seine Macht nur mit zunehmend autoritären Mitteln erhalten. Die Proteste seit den Wahlen in Serbien, zeigen, dass Vučić trotz seiner Übermacht in Medien und Parlament, und Unterstützung durch die EU, nicht allmächtig ist. Die größte Gefahr besteht nun darin, dass die EU sich dem falschen Partner verschrieben hat und die Demonstranten die Union als Teil des Problems, nicht der Lösung für die Demokratisierung des Balkans sehen.

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